Goethes Stern könnte zwei Jahrhunderte nach seiner Geburt verblasst sein

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Goethe in – CC BY-SA

In Deutschland, wo Johann Wolfgang von Goethe einst als unbestrittenes kulturelles Idol galt, scheint das Interesse an ihm zu schwinden.

Vor ein paar Jahren veranstaltete die Bundeskunsthalle eine große Ausstellung über Goethe, in der den Besuchern zwei einfache Holzlatten präsentiert wurden – eine lange und eine kurze. Auf der langen stand „Goethe“ und auf der kurzen „Im Vergleich dazu ein Idiot“.

Mit diesem Werk spielte der Künstler Georg Herold auf die Tatsache an, dass man sich neben Goethe schnell sehr klein fühlen kann.

Warum nimmt die Begeisterung für Goethe ab?

Lange Zeit wäre eine solche Frage undenkbar gewesen, denn wenn jemand in Deutschland auf einem hohen Sockel stand, dann war es Goethe. Schon zu seinen Lebzeiten war der Dichter, Naturforscher und Italienfreund eine internationale Berühmtheit.

Im Oktober 1808 wurde er sogar von Napoleon, der sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befand und den größten Teil Europas beherrschte, in Erfurt empfangen. Der Kaiser frühstückte gerade, blickte auf und begrüßte Goethe mit den inzwischen berühmten Worten: „Vous êtes un homme!“ („Ihr seid ein Mann“).

Heute ist das Interesse an Goethes Werken rückläufig – nur in wenigen Bundesländern wird sein „Faust“ als Pflichtlektüre in den Schulen unterrichtet. Der Deutsche Bühnenverein stellt fest, dass das Stück immer seltener aufgeführt wird.

In der Spielzeit 2022/23 wurden 8 Inszenierungen verzeichnet, vor Corona waren es 20. Detlev Baur, Chefredakteur der Fachzeitschrift „Die Deutsche Bühne“, analysiert den Grund wie folgt: „Ein alter, intellektueller weißer Mann ist in den aktuellen Diskursen nicht unbedingt als Hauptfigur geeignet.“

In der Spielzeit 2022/23 wurde dagegen Georg Büchners gesellschaftskritisches Drama „Woyzeck“ erstaunlich oft aufgeführt und findet auch in den Schulen mehr Beachtung. Es scheint, als ob sich das Interesse an Goethes Werken verändert hat und andere Autoren wie Büchner in den Mittelpunkt gerückt sind.